Als ich vor kurzem nach Berlin gezogen bin, meinten viele meiner Freude zu mir 'ja das passt auch besser zu dir und da ist es sicher leichter für dich' eine Aussage, die mich jedes Mal wieder in Erklärungsnot ausufern lässt, denn ich würde das so absolut nicht unterschreiben.
So sehr ich Berlin und all seine Facetten liebe, passt man nicht ins übliche Normen-Bild, wird einem das genauso vor Augen geführt, wie überall sonst auch.
Vielsagende Blicke, Beschimpfungen und sogar brennende Zigaretten, die einem nachgeworfen werden, sind Begegnung, die ich nicht nur in meiner Zeit in Berlin machen musste, sondern gar an meinem allersten Abend in der Stadt. (In der Urahn natürlich, wo auch sonst)
Die Stadt mag sich in vielerlei Hinsicht tolerant, liberal und bunt durchgemischt geben und ist dabei bestimmt noch authentischer, als viele andere Städte in Deutschland, aber dennoch ist Berlin eine Stadt voller Menschen (natürlich nicht alle, aber immer noch genügend), die den heutigen Zeitgeist widerspiegeln und erst einmal alles ablehnen, was sie nicht einordnen können.
Beispielsweise ist mir das wirklich noch nie passiert, dass mir jemand eine Zigarette in der Ubahn nachgeworfen hat, bloss weil ihm mein Outfit nicht gefallen hat.
Calzedonia Pants / Marco Polo Boots
Der eigentliche Grund, wieso ich diesen Post hier schreibe (der ursprünglich als Outfit Post geplant war … doch seien wir mal ehrlich, geht es überhaupt einmal bloss um ein Outfit?), war jedoch ein Abend am Alexanderplatz, mitten im Herzen der Stadt also.
Zusammen mit einem guten Freund war ich gerade auf dem Weg ins Kino, als wir die Wege ein paar halbstarker Jungen kreuzten, die höchstens 18 gewesen sein können und uns erst einmal mit den üblichen homophoben Beleidigungen begrüssten uns sich dann auch noch abfällig über unser Outfit äusserten (scheinbar hält sich in dieser Stadt auch wirklich jeder für Anna Wintour).
Als einer von ihnen mir hinterherlief und mich anbrüllte, drehte ich mich um, um ihn den Mittelfinger zu zeigen, was seine Gesinnung mir gegenüber nicht unbedingt freundlicher stimmte. Im Gegenteil, nach vulgären Beleidigungen, hatte ich es nun mit zwei aggressiven Proleten zu tun.
Nachdem wir es irgendwie geschafft hatten dieser Situation zu entkommen, dachten wir eigentlich, dass das für diesen Abend gereicht hätte - nicht aber wenn es nach Dumm und Dümmerer ging, die uns weiter folgten, nur um uns weiter zu beschimpfen und letztendlich zu bedrohen.
Als sie anfingen mich an den Haaren zu ziehen und mich grob anzupacken und die Situation zu eskalieren drohte, fragten wir sie für wen sie sich den halten würden mit zwei Fremden Menschen so umzugehen.
Ihre Antwort darauf war sehr vielsagend, denn sie fühlten sich doch tatsächlich als Opfer in der Situation, schliesslich müssten sie unseren Anblick ertragen und hätten es sich gefallen lassen müssen, von so etwas, wie mir den respektlosen Mittelfinger gezeigt zu bekommen.
Ich konnte nicht anders, als zu lachen und ihn daraufhinweisen, dass er diesen nur zu sehen bekommen hat, weil er mich belästigt hatte.
'Ne ich darf das ja, ich bin ja nicht so ne schwuchtelige Transe, wie du'
Auch wenn wir es versucht hatten, mit ihnen zu reden, wie mit normalen Menschen, mussten wir uns schnell eingestehen, das dies einfach nicht möglich ist - denn Menschen, die sich so benehemen, werden ihren Fehler nie einsehen und schon gar nicht mit sich darüber reden lassen.
Ich weiss manchmal nicht, wie viel Schmerz unsere Mitmenschen uns noch antun können, bloss weil sie mit ihrem eigenen Leben scheinbar so unzufrieden sind, dass sie gewaltsam in das anderer Menschen eindringen müssen.
Als wäre das alles noch nicht genug gewesen, setzten die Passanten um uns herum noch einen drauf und fingen an mitzumachen und sich über uns lustig zu machen oder auszulachen, statt einzugreifen und uns zu helfen.
Meiner Begleitung habe ich es zu verdanken, dass in dieser Nacht nicht mehr passiert ist, wahrscheinlich auch nur mehr Glück im Unglück, aber dennoch traurig genug.
Zara Coat / Villa Shirt
Am Ende das Abends kam ich mal wieder nicht umhin mich nach dem wieso zu fragen.
Was kann man an sich haben, dass sogar Menschen in einer Stadt, wie Berlin, so auf jemanden reagieren müssen, der nichts anderes tut, als er selbst zu sein. Ich bin es leid solche Erfahrungen zu machen, auch wenn sie zu meinem Alltag gehören, aber ich bin es nicht leid mit euch darüber zu sprechen, denn ich habe das Glück mich selbst mehr zu lieben, als das Gefühl es jemand anderem Recht zu machen, aber leider kann das nicht jeder und genau dafür schreibe ich solche Erlebnisse immer wieder auf. Auch ich muss immer wieder mit solchen Sachen kämpfen und schaffe es dennoch mich am nächsten Tag wieder dafür zu entscheiden ich selbst zu sein, denn kein Preis der Welt, nicht mal in Ruhe gelassen zu werden, ist es wert sich selbst aufzugeben, schon gar nicht für einen Haufen halbstarker Vollidioten, die sich auf den Alexanderplatz stellen und lauthals brüllen können, so viel sie möchten und niemals so viel Aufmerksamkeit bekommen werden, wie die Aufmerksamkeit, die sie selbst auf Menschen richten, die etwas haben, dass sie selber niemals haben werden - Respekt vor sich selbst.