Samstag, 8. November 2014

Von Entscheidungsängsten und den Bekenntnissen eines Zwölftklässlers.

Schwarz oder Weiss? Jennifer oder Angelina? Erdbeere oder Vanille?
Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber ich bin jemand, der sich relativ schwer tut Entscheidungen zu treffen und das obwohl ich eigentlich genau weiss, was ich möchte. 
Der Begriff 'entweder oder…' ist etwas, womit ich mich als Kind schon nicht anfreunden wollte und auch heute ertappe ich mich dabei, wie ich vom einen Bein auf das andere springe um mich leichter für eine Sache entscheiden zu können.
Dabei muss ich mich fragen ob ich mich wirklich nicht entscheiden kann oder ob ich bloss zu faul bin eine wichtige Entscheidung zu treffen?


Am liebsten ist es mir einen Kompromiss zu finden, der das Beste von Beidem miteinander vereint.
(oh wie bescheiden wir doch heute wieder sind)
Jeder, der das schon mal versucht hat, wird merken wie schnell man dabei an seine Grenzen stösst und entweder völlig überfordert ist oder es einfach nicht so recht passen will.
Worauf ich jedoch hinaus möchte, ist eigentlich etwas ganz Anderes.
Vor Kurzem wurde ich vor eine sehr wichtige Entscheidung gestellt, die mich tagelang quälte. Ich nahm das Ganze so super ernst, dass ich dabei schon fast vergessen hatte, wofür ich mich eigentlich hätte entscheiden sollen. 
Als es mir dann wieder einfiel musste ich an eine Entscheidungsgeschichte denken, die ich vor einigen Jahren (zwei um genau zu sein, aber einige hört sich irgendwie weiser an, findet ihr nicht?) zu fällen hatte.
Abitur - was für eine stressige Zeit. 
So gerne ich an meine Schulzeit zurückdenke, so sehr verachte ich den Matheunterreicht, doch ausgerechnet meinem schlechtesten und am meisten gehassten Fach habe ich es zu verdanken, dass ich heute zurückblicken kann mit der Gewissheit die richtige Entscheidung getroffen zu haben, denn Mathematik war es, die mir letztendlich noch dem Traum, vom 1er Abitur erfüllt hat.
Nachdem die Prüfungsphase abgeschlossen war und wir die Ergebnisse bekamen, durfte ich mich zwar über ein bestandenes Abitur freuen, aber auch über einen Notendurchschnitt von 2,0.
An sich eine tolle Sache, jedoch nicht wenn ihr die überehrgeizige Blair Waldorf fragt, die in mir einen kleinen Tobsuchtsanfall bekam.
Acht Jahre Gymnasium um dann mit einem Ergebnis abzutreten, von dem ich wusste, dass ich es hätte besser machen können? Nicht gerade eine tolle Vorstellung. Auf der anderen Seite war ich nach dem ganzen Lernstress so erleichtert, dass mich keine zehn Pferde freiwillig in eine Mathematik Nachprüfung hätten treiben können.
(Keine zehn Pferde, aber eine blonde Germany's next Topmodel Gewinnerin?)
Da stand ich nun in meinem Schlamassel…meine oben erwähnte Entscheidungsfreudigkeit war mir in diesem Fall natürlich keine grosse Hilfe, denn das Beste von Beidem würde in diesem Fall lauten ein 1er  Abitur ohne Nachprüfung zu schaffen - was in meinem Fall ja überhaupt keine Option mehr war!
Dies war der Augenblick in meinem Leben, wo ich zum ersten mal begreifen musste, dass es manchmal einfach unmöglich ist wirklich das Beste von beiden Seiten zu haben - ich musste mich also wirklich für eine Seite entscheiden und das obwohl ich bei der Sache mit der Nachprüfung nicht mal die Gewissheit hatte wirklich zu bestehen. Was also tun?
Während meine Freunde schon hemmungslos ihr bestandenes Glück feierten, fühlte ich mich (melodramatisch, wie eh und je) als hätte mir man das Gehirn rausgerissen, als ich mich eines Donnerstag Abends vor dem Fernseher mit der Frage beschäftigte, ob ich wirklich eine Mathe-Nachprüfung machen sollte und dabei sogar meinen glatten zweier Durchschnitt zu riskieren. (Man kann sich ja schliesslich auch verschlechtern).


Und während ich da so vor RED! versumpfte, wurde mir die Entscheidung abgenommen, als ich sie im Fernsehen sah - Lena Gercke.
Germany's next Topmodel Gewinnerin Nummer 1 und blondes Vorzeigekind des deutschen Fernsehens wurde gerade zum Thema 'Models und Intelligenz' interviewt und der Sprecher erzählte stolz 'Lena Gercke ist sogar ein Model, deren Abiturschnitt eine Zwei vor dem Komma hat'.
Da waren sie, die Worte die ich für meine Entscheidung gebraucht hatte.
Mein Traum war es berühmt zu sein, im Fernsehen zu stehen und vor der Kamera zu zeigen, was ich drauf hatte…wieso war es mir dann nicht in den Sinn gekommen, dass dieser Traum auch beinhaltete, dass die Leute sich irgendwann einmal für meinen Abiturschnitt interessieren würden? Ich wollte stolz auf mich sein und auch wenn eine zwei im Abiturschnitt eine durchaus gute Leistung ist, wollte ich, dass es irgendwann einmal heissen würde 'Riccardo ist sogar ein Model, dessen Abiturschnit eine Eins vor dem Komma hat', denn das war die Leistung, die ich über meine ganze Schulzeit wollte.
So rief ich noch im selben Moment meinen damaligen Nachhilfelehrer an und vereinbarte gerade noch rechtzeitig ein paar Stunden um meinem Ziel näher zu kommen.

Lena Gerke und ich dieses Jahr bei einem Event von GHD


Es war hart, ich lernte so viel ich konnte und als die Prüfung vorbei war und ich in meinem marineblauen Blazer, den ich aus dem Schrank meines Vaters geliehen hatte, erfuhr, dass mein Abiturschnitt wirklich nun eine Eins vor dem Komma hatte, freute ich mich so unglaublich, dass ich mich am liebsten geohrfeigt hätte, weil ich fast auf diesen Triumphmoment verzichtet hätte … und warum? Bloss aus Faulheit.
Aus Faulheit sein Bestes zu geben (für sich selbst!), aus Faulheit ein letztes, kurzes Mal die Zähne zusammenzubeissen und vielleicht auch aus Faulheit eine wichtige Entscheidung zu treffen.
Nichts desto trotz versuchte ich mich auch heute noch an diese Geschichte zu erinnern, denn sie motiviert mich immer wieder dazu mein Bestes zu geben und mein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, sei die Entscheidung dafür auch nicht immer leicht.
Manchmal ist es wichtig genau das zu tun, worauf man gerade Lust hat, aber manchmal lohnt es sich auch durchzuhalten und sich zu konzentrieren, wir wären überrascht, zu was für Leistungen, wir dann in der Lage sind.



Ich habe die Motivationsgründe, die mich damals dazu bewegt haben in die Nachprüfung zu gehen, bis heute nie jemandem erzählt, weil alle der Annahme waren ich wollte einfach einen besseren Abschluss, aber dieser Naivität, die meinen Traum ausmacht, habe ich es bis heute zu verdanken, dass mein Abiturzeugnis nun mein Leben lang eine 1 zieren wird.
Ein Jahr später durfte ich dann ein Interview in der Zeitung lesen - in der Hauptrolle nicht Lena, sondern ich und ich platze fast vor Stolz, als ich in der Anmerkung der Redaktion lesen durfte, dass ich ein Model mit einem 1er Abitur wäre. 
Und da wusste ich plötzlich was ich tun müsste um meine Träume zu verwirklichen - Zähne zusammenbeissen, fleissig sein und keine Angst davor haben mal eine Entscheidung zu treffen...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen